Vom Kiesschiff zum Ausflugskahn
BODENSEE. Woche für Woche, Jahr für Jahr schipperte die MS Altenrhein über den Bodensee, fasste am deutschen Ufer die Ladung und verfrachtete sie nach Staad. Dies zu Zeiten, als im Staader Hafen noch ein Kiesumschlagplatz bestand. Vier Generationen und fast 100 Jahre war das alte Kiesschiff im Besitz der Dudlers von der gleichnamigen AG. Die Zeiten änderten sich: Kritiken an der Durchfahrt der Lastwagen durch ein Naturschutzgebiet auf deutscher Seeseite stiegen und der Umschlagplatz wurde an den Staader Stadtrand verwiesen. Das Kies wurde fortan mit Lastwagen angeliefert. In der Folge wurde das Kiesschiff MS Altenrhein Ende der 1980er-Jahre quasi nutzlos und fristete sein Dasein im Heimathafen Staad.
ALESSIA PAGANI, Tagblatt
Schiff für straffällige Junge
«So eines gibt es in der ganzen Schweiz nicht mehr», sagt Hansueli Birenstihl wehmütig über das 106 Jahre alte Kiesschiff, das in der Werft Vogt-Gut in Arbon gebaut wurde. Er hat die MS Altenrhein vor über zehn Jahren von Rudolf Dudler übernommen und sie kürzlich einer Genossenschaft um Gemeindepräsident Robert Raths übergeben, die sich für den Erhalt des in die Jahre gekommenen Schiffes einsetzt (Ostschweiz am Sonntag vom 1. Mai). Radar und technische Anlagen müssen erneuert und der Stahlrumpf überholt werden. Für Birenstihl Investitionen, die er sich nicht mehr leisten konnte. Das Schiff wird gästefreundlich angepasst: WC werden eingebaut, der Motorenraum geputzt. Geplant sind künftig Sponsoren- und Behördenfahrten oder aber Fahrten für Private.
Birenstihl ist Gründer der Jugendheim Sternen AG und hat sich der Erlebnispädagogik verschrieben. Mit der MS Altenrhein sollten straffälligenJugendliche in See stechen. Seine Idee sei gewesen, «diese in Freiheit einzusperren». Daraus wurde nichts: Die AG wurde überführt in die Stiftung You Count, die neue Trägerschaft verfolgte den Plan nicht weiter.
Vieles noch im Originalzustand
Wer ihn sieht, zweifelt schon fast an der Fahrtüchtigkeit des alten Kahns. Der Stahl ist verrostet, die grünen Lackierungen glanzlos. In den vergangenen Jahren wurde die MS Altenrhein nur noch selten bewegt – für kleine Ausfahrten oder aber sie diente als Abschussrampe auf See für das Rorschacher 1.-August-Feuerwerk.
Die MS Altenrhein glänzt aber innerlich. Nicht nur das hölzerne Lenkrad, auch der alte Kompass lässt die Herzen von Nautik-Fans höher schlagen. Vieles ist noch im Originalzustand. Der Saurer-Motor – einer der ersten Schiffsmotoren überhaupt – wurde durch einen der Firma Mercedes ersetzt und die Holzplanken wichen Eisenplatten, ansonsten kann von einem lebenden Zeitzeugen gesprochen werden. «Für mich geht ein Wunsch in Erfüllung», so Birenstihl. «Es freut mich sehr, dass die <Altenrhein> eine gesicherte Zukunft hat.»
Quelle: Tagblatt Online 3. Mai 2016